Orte der Menschlichkeit – Pflege neu denken?

Welche Emotionen kommen in Ihnen auf, wenn Sie das Wort „Pflege“ hören? Müssen Sie an eine bestimmte Person denken, die pflegerisch versorgt wird? Was macht für Sie diesen Menschen aus, der pflegebedürftig ist?

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser Auszug aus dem Grundgesetz (Art. 1 GG) ist wohl einer der am häufigsten zitierten Sätze aus diesem Gesetzbuch. Er schafft eine Rechtsgrundlage zur Sicherung der Würde und Freiheit eines jeden Menschen. Er unterstreicht, dass jedem die gleiche Würde zukommen sollte und es oberste Priorität sein muss, diese mit allen Mitteln zu sichern.

Jeder Mensch ist einzigartig und so hat auch jeder andere Bedürfnisse. Es gibt jedoch Grundbedürfnisse, welche die meisten, wenn nicht alle Menschen verspüren: Das Bedürfnis nach Nahrung, Gesundheit sowie sozialen Kontakten zum Beispiel.

Ich möchte hier keineswegs ausloten, welche Bedürfnisse unmittelbar die Würde des Menschen betreffen. Und trotzdem frage ich Sie: Wie viele pflegebedürftige Menschen kennen Sie, die unter fehlender sozialer Anbindung an die Außenwelt leiden? Menschen, bei denen (etwas überspitzt gesagt) der Tag mit dem Wecken und Waschen durch Pflegepersonal beginnt und mit dem Verabreichen von Tabletten und erneuter Grundpflege am Abend auch wieder endet? Zeit für Gespräche oder gar Ausflüge wie Spaziergänge bleibt an vielen Stellen im Alltag wenig bis gar nicht. Viele Menschen leiden sehr unter ihrer Einsamkeit und insgesamt steigt die Anzahl der Einpersonenhaushalte in Deutschland in den letzten Jahren stark in die Höhe.1

Caring Communities wollen einen Beitrag dazu leisten, dass einsame Orte wieder Orte der Menschlichkeit, der Sozialität werden. Sie möchten durch den Aufbau von „lebendiger Nachbarschaft“2 und „generationsübergreifender Netzwerke“3 eine Verbesserung der Lebensqualität nicht nur für ältere und pflegebedürftige Menschen, sondern für alle Personen in einem Wohnumfeld erzielen. Sie möchten die schon vorhandenen Care-Strukturen aufgreifen und diese durch eine neue Form der umfassenden und ganzheitlichen Lebenskontextualisierung der Menschen vor Ort auch im Hinblick auf die soziale Dimension ausweiten und stärken.

Caring Communities sind mit ihren multidimensionalen Zukunftsperspektiven Orte der Menschlichkeit, die es ermöglichen können, den Menschen in seinem vielfältigen Sein, mit seinen mannigfaltigen Bedürfnissen und seinem stetigen Weiterentwicklungspotenzial professionell als auch rein menschlich zu unterstützen und so einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände Einzelner wie auch der Gemeinschaft im Wohnquartier zu leisten.

Ein Beispiel für diesen vielleicht noch vagen Ansatz der Caring Communities kann das niederländische Unternehmen „Buurtzorg“ darstellen, bei welchem besonders die Präventionsarbeit wie auch die Selbstpflege und der Aufbau multidimensionaler Pflegestrukturen im Kontext eines umfassenden lokalen Unterstützungsnetzwerkes im Fokus stehen (weitere Informationen dazu unter https://www.buurtzorg.com).

Wo und anhand welcher Kriterien kann man Ihrer Meinung nach einen solchen Ort der Menschlichkeit im Kontext der Pflege ausloten? Und: Was kann dazu beitragen, solche Orte und Begebenheiten entstehen und wachsen zu lassen?

Bild/Quelle: Tyler Nix on Unsplash


1 Vgl. SPITZER, Manfred (2018): Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit: schmerzhaft, ansteckend, tödlich, München, Verlag Droemer, S. 14 f.

2 KRICHELDORFF, Cornelia (2013): Vom Pflegemix zur Caring Community. Neue Antworten auf den Pflegebedarf der Zukunft, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 59 (2013), S. 82.

3 Ebd., S. 82.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.